Hinweise zur Arbeit mit Rücksprüngen in zu analysierenden Prozessen
Bei der Modellierung von Prozessen ist es nicht ungewöhnlich, dass im Sequenzfluss “Rücksprünge” auftreten (z.B. zur Abbildung von Nacharbeiten / Korrekturen und deren erneuter Prüfung im Anschluss an einen Qualitätssicherungsschritt). In Prozessmodellen, die mit den stellenbezogenen Analysen ausgewertet werden sollen, müssen diese allerdings vorsichtig eingesetzt werden. Warum dies der Fall ist, wie sich dies auswirkt und welche Alternativen es bei der Modellierung gibt, erfahren Sie auf dieser Seite.
Inhaltsverzeichnis
Warum Rücksprünge schlecht darin sind, die Wirklichkeit abzubilden
Um die möglichen “Fallen” zu verstehen, die bei der Modellierung von Rücksprüngen auftreten können, betrachten wir den nebenstehenden Beispiel-Prozess. Hier wird hier ein Dokument entgegengenommen, das überprüft und anschließend in ein EDV-System übernommen werden soll. Wenn die Prüfung nicht erfolgreich ist, wird das Dokument abgelehnt und der Sender muss das Dokument überarbeiten und erneut einreichen. Dies geschieht hier laut Modellierer in 80% der Prüfungen.
Gehen wir hier nun erstmal davon aus, dass der Modellierer verdeutlichen wollte, dass das Dokument in den seltensten Fällen sofort erfolgreich überprüft werden kann und daher in 4 von 5 Fällen zurück an den Sender geht. Im Anschluss daran (d.h. bei der “Wiederholungsprüfung”) kann das Dokument aber dann in der Regel erfolgreich überprüft werden. Es wird also von etwa 1-2 Schleifendurchgängen ausgegangen.
Schauen wir uns nun an, welche Aussage nun durch das Modell getroffen wird: In 4 von 5 Fällen geht das Dokument wie vom Modellierer vorgesehen zurück an den Sender. Nach der zweiten Prüfung gehen nun aber erneut 4 von 5 Fällen zurück an den Sender zur erneuten Überarbeitung. Dies wiederholt sich in der Theorie nun unendlich lange. Rein rechnerisch ergeben sich dadurch im Durchschnitt 5 Schleifendurchgänge pro Prozessausführung (siehe [*] zur Herleitung). In unserem Beispiel würde die Prüfaktivität mit 3 Minuten Bearbeitungszeit also mit 1.500 Minuten pro Jahr zu Buche schlagen, anstatt der erwarteten 600 Minuten (bei ca. 2 erwarteten Schleifendurchläufen). Dies ist also vermutlich deutlich mehr als vorgesehen.
Welchen Fehler hat der Modellierer hier also gemacht? Das Problem bei der Modellierung von Rücksprungen ist, dass nur eine fixe Rücksprungwahrscheinlichkeit gilt. In der Praxis handelt es sich jedoch meist um bedingte Wahrscheinlichkeiten - das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Rücksprung eigentlich mit jedem Schleifendurchgang sinken müsste. In unserem Beispiel sieht dies wie folgt aus: Das Dokument geht nach der Überprüfung zurück an den Sender und dieser muss das Dokument überarbeiten und erneut einreichen. Er wird die bekannten Fehler korrigieren und ein Dokument einreichen, welches diese Fehler nicht mehr enthält. Außerdem wird er in der Regel etwas sorgfältiger Arbeiten und sich beim nächsten Versuch “mehr Mühe geben”. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Prüfung erneut fehlschlägt (dass neue/unbekannte Fehler gefunden werden), sollte also deutlich geringer als 80 % ausfallen.
Wie wir bereits erkennen konnten, hat dieser Unterschied zur Folge, dass die Aktivität gemäß dem Prozessmodell (und somit der Personalkapazitätsanalyse in der Prozessplattform) deutlich mehr Kapazität binden würde als erwartet. Dies kann zwar in manchen Fällen die gewünschte Aussage des Modellierers sein, häufig können die Folgen jedoch unbeabsichtigt sein.
Da eine mit jedem Schleifendurchgang reduzierende Wahrscheinlichkeit auf einen erneuten Schleifendurchgang nicht abbildbar ist, empfiehlt es sich in vielen Fällen für analysierbare Prozesse zu alternativen Modellierungsweisen zu greifen. Zwei Alternativen finden Sie im folgenden Abschnitt beschrieben. Sollten die Rücksprünge hingegen explizit gewünscht sein, finden Sie weiter unten Hinweise dazu, wie die Prozessplattform bei der Analyse mit diesen umgeht.
Alternativen zur Modellierung von Rücksprüngen
Nutzung von Schleifen
Mithilfe des Schleifenkonzeptes der BPMN, kann direkt an einer Aktivität eingestellt werden, dass diese mehrmals ausgeführt werden soll. Wenn wie in obigem Beispiel, die Anzahl der erwarteten Schleifendurchläufe eigentlich bekannt ist (ca. 2), kann mit BPMN-Schleifen gearbeitet werden. Das Ergebnis könnte zum Beispiel so wie das nebenstehende Modell aussehen. In den Attributen des Teilprozesses ist die Anzahl der Schleifenwiederholungen auf 2 gesetzt. So wird für die Analyse der Rücksprung aus unserem initialen Beispiel ersetzt. Das Analyseergebnis der Prüfungsaktivität entspricht nun mit 600 Minuten unseren Erwartungen. (Anstatt die Schleife in einen Teilprozess zu modellieren, könnte auch an den einzelnen Bausteinen jeweils eine Schleife konfiguriert werden.)
Explizite Modellierung von mehreren Schleifendurchläufen
Anstatt einen Rücksprung zu modellieren, können die Schleifendurchläufe auch explizit ausmodelliert werden. In diesem Fall würde das bedeuten, dass für Erst- und Zweiprüfung jeweils eigene Aktivitäten modelliert werden. Ob die Zweitprüfung stattfindet, entscheidet eine Verzweigung, die die 80% aus dem obigen Beispiel enthält. Es wäre nun möglich weitere Durchläufe zu modellieren. Diese Variante hat natürlich Ihre Grenzen, gerade wenn es um viele Schleifendurchläufe geht, liegt aber häufig näher an der Realität als ein Rücksprung mit hoher Wahrscheinlichkeit. So modelliert binden die Prüfungen in unserem Beispiel von oben im Jahr durchschnittlich 540 Minuten Arbeitszeit. Mit dieser Variante können die erwarteten Schleifendurchläufe sehr genau abgebildet werden. Je nachdem wie viele Schleifendurchläufe auf diese Weise dargestellt werden, kann allerdings die Lesbarkeit und die Übersichtlichkeit des Modells sinken.
Wie geht die Prozessplattform bei der Analyse mit Rücksprüngen um?
Zur Ermittlung der Lastfaktoren einzelner Aktivitäten innerhalb eines BPMN-Modells werden verschiedene Prozessverläufe durch die Analyse simuliert. Dabei wird der Prozessfluss Schritt für Schritt von einem so genannten “Token” vom Start-Ereignis bis zum Endereignis durchlaufen. Das Token folgt dabei dem Sequenzfluss durch das Modell. Dabei werden Verzweigungen/Rücksprünge etc. beachtet, sodass bestimmte Aktivitäten öfter besucht werden können als andere.
Bei der Analyse kann es nun geschehen, dass ein Token durch einen Rücksprung innerhalb des Modells in einer theoretisch unbegrenzten Schleife landet. Sollte ein Prozessmodell Rücksprünge enthalten, ist damit unter Umständen keine vollständig exakte Analyse möglich. Die Prozessplattform stellt in diesem Fall jedoch sicher, dass die Genauigkeit sechs Nachkommastellen beträgt. In der Praxis verlieren solche Analyse-Ergebnisse damit nicht an Aussagekraft. Um sicherzustellen, dass die Prozessplattform Rücksprünge ausreichend genau analysieren kann, sollten Sie bei der Modellierung Rücksprünge mit einer Wahrscheinlichkeit von über 80% bei der Modellierung vermeiden. Analysieren Sie ein Modell, das einen oder mehrere Rücksprünge mit deutlich mehr als 80% Wahrscheinlichkeit enthält, bricht die Analyse mit einer entsprechenden Fehlermeldung ab. (Dies stellt eine Schutzmaßnahme zur Vermeidung einer Überlast der Prozessplattform-Webanwendung dar, da ein “Nachverfolgen” aller Rücksprung-Pfade bis zur Erreichung der o.g. Genauigkeitsgrenze andernfalls u.U. zu einem enormen Verbrauch an Speicher und Rechenzeit führen würde.)